
Eigentlich waren als nächtes Projekt die 1990er angekündigt, aber ich bekomme es nicht auf die Reihe, davon mal ordentliche Fotos zu machen. Aber ein weiteres Projekt aus der Reihe ist ebenfalls schon länger fertig und wurde Donnerstag dann spontan fotografiert. Ich war zunächst nicht sicher, ob ich es tatsächlich hier zeigen möchte, weil ich gleichzeitig noch ein weiteres aus demselben Jahrzehnt im Hinterkopf habe und ich so ein schlichtes Blüschen ein wenig langweilig fand. Aber aktuell komme ich so wenig zu nähen, dass ich beschlossen habe, lieber ein kleines Projekt zeigen als gar keines. Also:
Projekt: Bluse
Schnitt: Beyer's Mode für alle, Schnittbogen
Datierung: Oktober 1941
Stoff: petrolfarbenes Leinen
Musik: Sucht's euch aus, Schlager oder Swing (die Propaganda-Sachen erspare ich euch)
Lys Assia mit »Unter der roten Laterne von St. Pauli«
Glenn Miller »Chattanooga Choo Choo« (In Deutschland vielleicht bekannter als das Original ist die Version von Udo Lindenberg von 1983, Sonderzug nach Pankow).
Amüsanter Wikipedia-Fund: 1941 gewinnt der Musiker Clifford Morris mit dem Lied »Adolf Hitler« einen Calypso-King-Wettbewerb in Trinidad. In diesem wird »austrian jailbird« Hitler auf seine Expansionspläne angesprochen und ihm eine Nachhilfestunde in Geschichte gegeben, was mit Herrschern passierte, die im Laufe der Geschichte das British Empire angegriffen haben.

Den Schnitt habe ich schon länger im Auge, weil er so schön zeitlos wirkt. In der Zeitschrift ist es eine Wollbluse mit halblangem Arm und geknöpftem Einsatz vorne. Die Ärmel sind direkt an die Vorder- und Rückseiten geschnitten und die Schnittteile im Schrägschnitt konzipiert. Das Zusammensetzen der Teile inklusive Unterarmzwickeln war etwas anspruchsvoll, aber dank nummerierter Nahtpunkte ging es doch ganz gut. Die Front wird durch einen trapezförmigen Einsatz geschlossen. Ich war wie immer faul, weshalb die Knöpfe keine Funktion haben, unten am Bund verbirgt sich unter dem Einsatz an einer Seite ein Verschluss, den Rest kann man über den Kopf ziehen. Es sind weniger Knöpfe als in der Anleitung, weil ich diese noch da hatte und sie mir besser gefielen als andere, von denen mehr da waren. Aber es geht meines Erachtens ganz gut.

Beim Bund hat sich ein Fehler eingeschlichen: Ihr seht, er ist recht breit, ich habe die Anleitung missverstanden, dass man ihn doppelt legen solle und dann auf die restliche Länge des Einsatzes die Höhe raffen solle. Das Schnittteil sah so breit aus, dass ich davon ausging, es sei schon die doppelte Höhe. Erst beim Zusammensetzen zeigte sich, dass nun der Einsatz etwas zu lang war und der Bund auch ohne Raffung zu niedrig war. Da ich sowieso nicht mehr genug Stoff hatte, beliess ich es so und kürzte den Einsatz. Die Bluse ist damit jetzt recht kurz, aber auch mit etwas längerem Einsatz und breiterem Bund wäre der Taillenumfang ja nicht weiter gewesen und sie würde mir daher sowieso in die Taille rutschen, wo sie jetzt auch sitzt. Vielleicht ist es so also gar nicht so schlecht, sondern hätte noch mehr aufgetragen, wenn sie länger gewesen wäre.


(Die Farbe wird hier falsch wiedergegeben, ist eher wie die Fotos oben oder unten)
Talking about «auftragen»: Irgendwie mag ich das Ergebnis, irgendwie nicht. Die Bluse wirkt sehr zeitlos, überhaupt nicht wie ein Schnitt aus den 1940ern und sie passt gut. Andererseits tut sie nicht wirklich etwas für mich, sie steht mir nicht übermäßig und erinnert mich an Mode der späten 1980er/frühen 90er oder alternativ eine Kochjacke. Aber sie ist bequem, gut tragbar und vor allem im Sommer sehr angenehm zu tragen. Vielleicht gebe ich dem Schnitt mit einem völlig anderen Stoff noch einmal eine Chance, denn so wie auf dem Foto in der Zeitung finde ich ihn schon sehr schick, vielleicht müssen die Knöpfe auch andere werden und vor allem funktional oder Durchnäher sein, damit sie nicht so blöd herunterhängen. Auf dem Foto unten trag ich sie mit der 1990er-Hose aus diesem WiP und ja, es geht, es sieht nicht schlecht aus, aber ich fühle es halt irgendwie nicht, keine Ahnung, wie ich es besser ausdrücken soll.

(hier sieht man, was passiert, wenn man einer Textilhistorikerin sagt, sie solle auf dem Stuhl mit den alten Stickereien Platz nehmen, ja nicht zu viel berühren.
