So, durch Umzug und größere Renovierungsarbeiten kam ich den ganzen Sommer und Herbst über nicht zum Nähen. Aber jetzt bin ich – schlappe sieben Monate später – wieder da.
1960er
Projekt: Kleid
Schnitt: Vogue, Einzelschnitt
Datierung Dez. 1961 (der Schnitt selbst ist undatiert, wurde aber laut dem
Vintage Patterns Wikia erstmals im Dezember 1961 im Vogue-Katalog gezeigt)
Stoffe: schwarzes Mischgewebe mit Stretchanteil, roter Tartan aus Kunstfaser, Reststück rote Baumwolle
Musik:
Nr. 1 in Deutschland im Dezember 1961 ist Nana Mouskouri mit «Weiße Rosen aus Athen»
Nach dem Umzug fiel mir beim Einräumen meiner Einzelschnitte dieser Vogue-Schnitt in die Hände. Ich wollte damit eigentlich mal ein Kleid aus einem gross geometrisch-gemusterten Stoff vom Möbelschweden nähen (so à la
Mondrian-Kleid in bunt), aber irgendwie schlief das Projekt ein und den Stoff habe ich inzwischen aussortiert. Beim Schnitt hatte ich etwas Sorge, dass er mit dem falschen Stoff genau so ein braves Kleidchen wie auf dem Umschlag ergibt, bis mir dann die Idee kam, man könnte ja auch Rock und Oberteil vortäuschen und zwei Stoffe nehmen, um ihm das kleidhafte etwas zu nehmen. So konnte ich dann zwei kleinere Stücke aus meinem Vorrat verbrauchen. Das schwarze Gewebe ist der Rest, der von der 1990er-Hose übrig war. Den roten Tartan habe ich vor Ewigkeiten gekauft. Ich weiss nicht mehr wann, aber ich bin recht sicher, dass ich ihn schon in Deutschland im Stofflager hatte, also vor 2010. Es war kein grosses Stück und zudem reine Kunstfaser, wirklich nicht angenehm (aber unter solchen Sachen wie diesem Kleid trage ich sowieso immer ein T-Shirt oder wie auf den Fotos ein Jersey-Kleid). Wahrscheinlich wollte mein 20-jähriges Ich sich damit einen Minirock nähen, tat es dann aber nie. Beide Stoffe sind jetzt komplett verbraucht, für die Belege habe ich auf roten Baumwollstoff zurückgegriffen (weil der sicher angenehmer ist als dieses Plastikzeug).
Beim Zuschnitt konnte ich auf die Platzierung des Musters in der Mitte achten, nicht aber auf den Schultern, dafür war zu wenig da. Mir ist bewusst, dass solche Kleinigkeiten bei Karostoffen den Unterschied zwischen Clownskostüm und Alexander McQueen machen können, aber ich war so angetan von der Kombination, dass ich es wagen wollte. Trotzdem reichte der Stoff nicht für die ganzen Ärmel, da habe ich mit dem schwarzen Stoff ergänzt. Ebenfalls aus Stoffmangel musste der Rock etwas kürzer werden als vom Schnitt gewollt, aber das hätte ich wohl sowieso gemacht.
Das Schnittmuster ist nicht beschriftet, sondern sämtliche Markierungen sind durch Löcher dargestellt. Wenn man sich einmal daran gewöhnt hat, funktioniert das ganz gut. Das Schnittmuster war laut Packung «Easy to Make» und es ging auch wirklich leicht von der Hand, auch wenn ich nicht weiss, wie «easy» ich als Anfängerin Paspelknopflöcher gefunden hätte. Die habe ich aber gekonnt ignoriert. Am Rock braucht man gar keine, der ist sowieso zu und die drei Knöpfe vorne nur Deko. Hinten sollte im Rock ein Reissverschluss sein und oben drei Knöpfe. Das erschien mir etwas freizügig und ich hatte keine Lust auf Knopflöcher, deshalb wählte ich einen längeren Reissverschluss, der jetzt bis fast zum Nacken reicht. Weil ich sowieso sieben von diesen wunderbaren Knöpfen hatte, verteilte ich also vier auf dem Rücken, die sind jetzt ebenfalls rein dekorativ. Damit der Übertritt mit den schweren Knöpfen ohne Knopflöcher nicht rumwedelt, habe ich noch Druckknöpfe an die Kante der Blende genäht. Heisst: Statt drei Paspelknopflöchern habe ich jetzt drei Verschlüsse genäht: Reissverschluss, vier Druckknöpfe und vier Knöpfe als Deko, das hat man jetzt von seiner Faulheit.
Das Oberteil wird an der Taillennaht zusammengerafft und an den Rock gesetzt, von innen sollte dann noch ein Taillenband eingesetzt werden, einen Gürtel gibt der Schnitt als optional an. Durch den elastischen Rockstoff hat sich die Taillennaht leider gedehnt und ist nicht ganz so schön anzusehen, ein Gürtel ist bei mir also obligatorisch. Erst wollte ich aus den kläglichen Resten des schwarzen Stoffes einen zusammenstückeln, doch dann kam mir ein Stück Auto-Gurtband im Lager in den Sinn, dessen Breite zudem optimal zu einer beziehbaren Gürtelschnalle passte. Das schien mir passend, um das brave 60er-Design etwas zu brechen, sowieso war ich in meinem Kopf mit diesem Projekt recht schnell bei Vivienne Westwood, auch wenn ihre Tartan Kollektion ganz anders aussah. Also mit den Resten des Tartan-Stoffes die Gürtelschnalle bezogen, Gurtband festgenäht, zack, Gürtel fertig. Die Schnalle hat keinen Dorn, ich habe stattdessen am Ende des Gurtbandes drei Druckknöpfe angenäht. Das Taillenband im Kleid habe ich mir gespart.
Der Saum ist etwas höher als der Schnitt es wollte, was schlicht der Restmenge des schwarzen Stoffes geschuldet ist. Am Ende hatte ich ca. 15mm als Saumumschlag, da habe ich noch ein Stück Spitze drangesetzt und an dieser dann per Hand mit Hexenstich den Saum genäht.
Als ich die Stoffe und den Schnitt vorbereitete dachte ich, das kann sehr gut ausgehen oder aussehen wie diese extrovertierte Mode für ältere Frauen (nur echt mit runder Brille mit dickem Rand und grossen Ketten). Am Ende wurde es viel besser als gedacht, ich liebe es! Der Rücken hat so seine Tücken, einerseits weil das Oberteil durch den Reissverschluss etwas absteht und andererseits, weil die großen Knöpfe nicht gerade angenehm beim Anlehnen sind. Auch der Rock ist nicht ganz optimal. Einerseits könnt er ein Futter gebrauchen, damit er beim Laufen schöner fällt (ich hatte kein passendes da und dachte an diesem Punkt noch, der Schlitz wäre echt und man würde bei jedem Schritt das Futter sehen, deshalb habe ich drauf verzichtet). Hier hoffe ich, dass ein Unterrock hilft. Andererseits sieht man beim Sitzen stark die Konstruktion des falschen Schlitzes (ist ja eigentlich nur eine abgenähte, breite Falte) und die fehlenden Knopflöcher, weil der Stoff sich durch den Stretchanteil dehnt.
Aber trotzdem bin ich sehr zufrieden mit dem Ergebnis, das könnte wirklich ein Kleid werden, das mich lange begleitet.

(auf dem Foto sieht man die wirkliche Ärmellänge am besten, der enge Ärmel ist von dem engen Kleid, was ich drunter trag)
Wer also näht, der weiß auch, wie man trennt.
Elizabeth Barrett-Browning
Der Mangel an "ß"s in meinen Posts ist auf die Schweizer Rechtschreibung sowie Tastaturbelegung zurückzuführen.