Nun kamen in letzter Zeit ein paar Dinge zusammen: Je älter ich werde desto größer wird der Wunsch, selbst Socken stricken zu können, zudem weiden in unserer Nachbarschaft Schafe, weshalb ich wieder mehr über das Material nachdachte und dann stand es im vergangenen Sommer in einem Trödelladen vor mir: ein augenscheinlich funktionstüchtiges, altes Spinnrad zu einem Spottpreis.
Das Spinnrad begleitete mit durch Nieselregen und neugierige Blicke im Bus nach Hause, wurde gereinigt, etwas gepflegt und mit einem neuen Riemen versehen. Dann kaufte ich von einem Landwirt in der Ostschweiz 2 kg naturbraune und schwarze Wolle vom Engadinerschaf und erschrak etwas, als einige Tage später ein sehr großes Paket vor der Türe stand (merke: 2 kg gewaschene und gekämmte Wolle sind viieeel).
Mit ein paar Internet-Tutorials produzierte ich dann das, was man im Fachjargon als schwangere Regenwürmer bezeichnet, ich nenne es liebevoll Effektgarn.Nun stellte ich mir die Frage, was ich mit einem Knäuel naturbrauner, unregelmässiger Wolle anfangen möchte. Sie bediente scheinbar jedes Klischee eines 68er-Ökos.
Mh…Klischee, gutes Stichwort. Was ist dreckigbraun und handwerklich unausgereift? Das Mittelalter!
Stricken konnte ich immer noch nicht, aber diese Socke war nadelgebunden. Den Grundstich hatte ich vor über 15 Jahren mal gelernt, seitdem lag die Holznadel verwaist in der Nähkiste. Und nach kurzen, vergeblichen Versuchen landete sie auch wieder da. Merke: eine quasi unbekannte Technik zu erlernen, die kaum Raum für Fehler lässt und das mit unregelmäßigem Garn in einer dunklen Farbe…
Aber dieses schöne klare Kordelmuster im Stich liess mich daran denken, dass meine frühen Häkelwerke ähnlich aussahen, weil ich bei festen Maschen nicht in beide Schlaufen, sondern nur in die hintere stach. Häkeln kann ich und den Fehler von damals krieg ich auch reproduziert.

Der Rest war freies Ausprobieren mit ständigem Anprobieren. Ich begann mit einem Oval an den Zehen und häkelte in Runden, zugegeben habe ich jeweils an den Seiten, damit Sohle und Rist möglichst flach bleiben. Die Verse habe ich so gearbeitet wie das Original: Vor dem Knöchel verlässt man seine Runden, sondern häkelt ab einer Seite des Fußes eine Luftmaschenreihe, die um die Rückseite des Fußes herumreicht und dort wieder auf den Rest der Socke trifft, dann häkelt man weiter und hat so quasi eine Socke ohne Ferse, wie eine Yogasocke. Die Ferse wird dann wie eine gewölbte Spirale eingesetzt. Zum Schluss noch der Schaft mit der Öffnung. Hier funktionierte meine Häkeltechnik natürlich nicht mehr, weil ich Reihen häkelte, deshalb ist dort das Muster anders.

Das Ergebnis sind nun braune Socken, die zu dick für sämtliche Schuhe sind, aber als Haussocken durchaus taugen und weniger kratzen als befürchtet.

Einen grossen Nachteil hatte meine Häkeltechnik, denn nur einen Faden aus der vorherigen Reihe aufzunehmen führt natürlich zu einem recht lockeren Maschenbild und insbesondere bei Zunahmen zu sichtbaren Löchern. Sieht man auf diesem Foto recht gut, ausserdem in direktem Vergleich zu ihrer Vorlage:

Wer weiss, vielleicht muss ich nach dieser Klischeekeule meinen Museumsjob wegen Rufschädigung an den Nagel hängen, aber kalte Füsse kriege ich immerhin nicht mehr.

