
Da mein Bruder sich das 70er-Jahre Setzkasten-Schachspiel meiner Eltern unter den Nagel gerissen hat (aber er spielt auch deutlich besser und häufiger, also sei es ihm gegönnt), war ein schönes Schachspiel schon länger auf meiner Pendenzen-Liste. Mein absolutes Sehnsuchts-Schach sind ja immer noch die Bauhaus-Figuren, aber sie sind einfach unglaublich teuer, da bin ich zu geizig, dafür dass ich so wenig und auch wirklich schlecht spiele.
Auf einem Trödelmarkt habe ich dann mal klassische, ältere Holzfiguren gefunden, die Grübelei, wie man so etwas haltbar und ohne Schnitzdiplom selbst machen könnte, hatte ein Ende. Fehlte noch ein Brett. Die meisten, die ich so in den Trödelläden fand, waren mir zu groß, zu teuer oder gefielen mir nicht. Und im Gegensatz zu den Figuren sollte es ja keine Raketenwissenschaft sein, so ein Brett zu basteln.

Basis wurde zwei dünne MDF-Platten, wie man sie bpsw. als Rückwand bei Regalen oder Schränken hat. Meine kamen aus der Restekiste vom Baumarkt und dienten eine ganze Weile als billige Regalbretter für leichte Sachen. Für ein nicht klappbares Brett waren sie zu schmal, also zwei Hälften daraus zugeschnitten und mit einem Stoffstreifen zusammengeklebt.

Die Spielfläche besteht aus Resten von einem früheren Projekt, das gemusterte Papier ist Siebdruckpapier aus Japan, das schwarze Maulbeerbaum-Papier. Leider war meine Papierschneidemaschine so stumpf, dass sie die schwarzen Quadrate schief geschnitten hat, im Gesamtbild fällt es zum Glück nicht so auf. Die Rückseite habe ich mit einem Papier, das mir eine ehemalige Bekannte mal aus Indien mitgebracht hat, beklebt und die Kanten dann ebenfalls mit dem schwarzen Papier eingefasst. Für das alles habe ich Buchbindeleim und Pinsel genommen, das ging sehr gut.

Zu guter Letzt noch die Feldnummerierung mit Silberstift, das ist wohl (neben den schiefen Quadraten) das einzige, mit dem ich immer noch etwas hadere, weil es so sehr selbstgemacht aussieht. Aber es ist auch nicht hässlich und erfüllt seinen Zweck, also ist das schon ok.
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Über das zweite Spiel bin ich mal durch Zufall im Internet gestolpert. Das sogenannte «Königliche Spiel von Ur» ist ein wohl mesopotamisches Brettspiel, das seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. populär war und durch mehrere archäologische Funde in verschiedenen Varianten überliefert ist. Einem lustigen Kurator des British Museum namens Irving Finkel ist es gelungen, die wahrscheinlichen Spielregeln des Spiels herauszufinden, dort ist auch das bekannteste erhaltene Spielbrett dieses Spiels ausgestellt. Es kann als Repro erworben werden, aber als ich es sah, dachte ich …mmmhhhh


Stoffe sind verschiedene Reste, alles dünne Baumwollstoffe in merkwürdigen Farbtönen, so dünn, dass sie sich sehr leicht verziehen, wie man sieht. Die grauen Kästchen sind Spezialfelder, deshalb wollte ich für sie eine andere Farbe. Nach dem Zusammennähen des Spielbretts habe ich alles noch bestickt, dabei habe ich einen dickeren Leinenstoff auf der Rückseite als Stabilisierung genommen. Bei den grauen Feldern ist mir leider die Farbe ausgegangen, deshalb ist nun ein wenig zu blaustichiges Garn dabei. Und leider sind die Bleistiftspuren auf dem hellen Hintergrund sichtbar geblieben, ich hoffe, das verliert sich noch mit der Zeit.
Nach dem Besticken habe ich das Spielbrett sowie zwei Rückseiten auf zwei Stücke Buchbindekarton gelegt und rundherum festgenäht.

Das Spiel wurde mit vier vierseitigen Würfeln (W4 für die Rollenspielenden) gespielt, wobei die Würfel keine Zahlen zeigten, sondern jeweils zwei andersfarbige Ecken hatten. So kann man mit jedem Würfel eine 0 oder eine 1 würfeln und insgesamt mit vier Würfeln max. 4 Punkte werfen. Leider hatte der Spieleladen meines Vertrauens kaum schöne flache Spielsteine und auch keine W4 ohne Zahlen, obwohl er eine wirklich gute Auswahl hat. Also improvisierte ich vor Ort, kaufte holzfarbene Mühlesteine und grau bemalte «Münzen» aus Holz (Kunststoff schien mir für das Spiel unpassend). Die Hälfte der Mühlesteine und jeweils eine Seite der Münzen bekam eine Bemalung mit Acrylfarbe, so kann man jetzt mit den Münzen auch eine 0 oder 1 werfen. Und falls ich doch mal hübschere Steine oder Würfel finde, kann ich die leicht austauschen. Für all das Kleinzeug nähte ich aus den Resten der Stoffe noch ein Beutelchen. So feddich


Zum Schluss noch die beiden Kanten der zusammengeklappten Bretter in Nahaufnahme, falls es jemanden interessiert. Beim Schach sieht man einfach die MDF-Platte, bei dem Ur-Spiel habe ich die Kanten des Rückseitenstoffs per Hand festgenäht, der Stoff in der Mitte ist ein Abdeckstreifen, den ich auf den erwähnten Leinenstoff genäht habe, sonst hätte man hier den gesehen.

Nerdige Zusatzinfos zum Spiel von Ur bzw. zum Assyriologen Irving Finkel…
…zum ersten: Irving Finkel sieht genauso aus, wie man sich bei Indiana Jones einen Kurator für Assyriologie im British Museum vorstellen würde.
…zum zweiten: er vermutet eine ursprüngliche Herkunft des Spiels aus Indien und dass die ornamentale Gestaltung des Original-Spielbretts auf dort verbreitete, textile und bestickte Spielfelder Bezug nimmt, was ich sehr lustig finde, weil ich es erst erfahren habe, nachdem ich dieses Projekt beendet hatte.
…zum dritten: wer jetzt noch nicht genug hat, kann sich hier einen 90-minütigen Vortrag von ihm zu dem Spiel und seiner Geschichte ansehen.