Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Wenn ihr ein Thema habt das zwar mit Nähen/etc zu tun hat, aber in kein anderes On-Topic Board passt, dann versucht es mal hier.

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T. T. Kreischwurst
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Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon T. T. Kreischwurst » 26. Dez 2020, 11:07

Hallo ihr,
ich hatte gestern einen Gedanken, den (wenn überhaupt ;)) wohl nur Nähkros und andere DIY-Menschen verstehen können.
Gestern hab ich mich mit meiner Schwägerin A unterhalten, deren Schwester (Schwägerin B) in einem knappen Monat ihr zweites Baby bekommt. A ist selber DIY-affin und sie wollte sich mit mir absprechen, was wer für das neue Baby macht, damit wir uns da nicht in die Quere kommen.
Ich hab mir tatsächlich schon irgendwann 1-2 Gedanken gemacht und ein bisschen Stoff dafür besorgt, ABER ich hab gemerkt, ich hab aus verschiedenen Gründen im Moment gar keine Lust, ein Geschenk selbst zu machen.
Einerseits bereitet mir das ein schlechtes Gewissen. Ich hab das Gefühl, wenn ich etwas kaufen würde, dann hätte ich mir nicht genug Mühe gegeben und es wäre ein schlechtes Geschenk. Außerdem scheint man das ja von mir zu erwarten (sonst hätte A mich ja auch nicht angesprochen), weshalb ich irgendwie gleich 3x keine Lust dazu hab (ja...ähm.. ich halt ;)).
Andererseits kaufen andere Menschen ihre Geschenke ja auch und fühlen sich nicht schlecht dabei. B hat z.B. zur Geburt meiner Tochter eine Windeltorte geschenkt. Das könnte ich doch bei ihrem Kind auch machen, eigentlich...? Aber ich würde mich schäbig fühlen :irr: .

Ich bin tatsächlich super hin- und hergerissen und versuch mir zum einen in den Hintern zu treten, doch jetzt über meinen Schatten zu springen (am Ende sind die Leute dann noch enttäuscht und finden mich blöd, weil ich mir keine Mühe gemacht hab!) und schimpf mich zum anderen aus, dass nichts schlimmes daran ist, es so zu machen wie andere auch.

Kennt ihr solche Gedanken auch? Und wie geht ihr damit um? Oder bin ich einfach ein völlig bekloppter Einzelfall :mrgreen: ?
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Re: Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon Lyset » 26. Dez 2020, 11:15

Kenn ich, absolut.

Ich habe allerdings das "Glück" das in meinem näheren Umfeld DiY irgendwie nichts zählt.

Also gibt es auch nichts mehr und fertig. Und an Kaufgeschenken gefühlt dann halt den immer gleichen unpersönlichen Quatsch.

Ich mache mir da keine Gedanken mehr drum und werkel lieber was für mich selbst, oder hier fürs Forum.

Wer sonst was selbstgemachtes bei mir sieht und das haben möchte, kann es mir gebraucht abkaufen, also genau so wie es eben vorhanden ist, ohne Farbwünsche oder Whatever und ich werkel es mir eben neu.
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Re: Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon rhuna » 26. Dez 2020, 11:53

Kenn ich. Ich hab es im Studium einige Jahre lang geschafft, fast nur selbst gemachtes zu verschenken und hatte ein unheimlich schlechtes Gewissen, als ich das irgendwann nicht mehr auf die Reihe gekriegt hab. Bei Geburtstagen und Weihnachten hat es sich zum Glück relativ erledigt inzwischen, aber zu Geburten und Hochzeiten kommt das Thema bei mir auch wieder hoch.
Ich versuche einerseits zu priorisieren, wer mir den Aufwand wert ist und es zu schätzen weiß, andererseits versuche ich mir einen realistischen Blick auf meine jeweils aktuellen Ressourcen zu erlauben. Ich hätte zum Beispiel unheimlich gerne zur Geburt meines zweiten Neffen diesen Sommer irgendwas gewerkelt. Aber mein Kopf war so voll, dass ich nichmals eine Idee hatte. Also gab es nix selbstgemachtes.
Ich erinnere mich dann immer daran, wie mir einige liebe Leute gesagt haben, sie freuen sich natürlich sehr über was selbstgemachtes, aber möchten nicht, dass es für mich in Stress ausartet. Das funktioniert für mich zur Orientierung. Und entweder die Leute verstehen das und sehen es auch so, weil ich ihnen entsprechend wichtig bin, dass mein Wohlergehen ihnen wichtiger ist als ein Geschenk. Oder sie verstehen es nicht, und dann haben sie so ein Geschenk auch nicht unbedingt verdient.
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Re: Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon Morathi » 26. Dez 2020, 11:58

Oh ja...kenn ich. Und nicht nur, dass man sich selbst diesen Druck macht, sondern den auch von außen bekommt. Z.B. kann die Mutter von einer Freundin gut stricken. Eine andere gemeinsame Freundin meinte dann mal "also ich versteh ja gar nicht, warum ihr Kinder nicht immer selbst gestrickte Pullover zu Weihnachten und Geburtstag bekommt." Da war ich echt baff. Die sind zu dritt, macht insgesamt 6 Erwachsenen-Pullis jedes Jahr! Hab sie dann gefragt, ob sie ne Vorstellung davon hat, wie sch***e viel Arbeit das ist. Man hat ja sonst nix zu tun, ne? Und wenn man einmal damit anfängt, wird es ja immer erwartet. Da geht bei mir echt der Trotzkopf-Modus an und seit der Diskussion bin ich da auch schmerzfreier. Wenn ich keine Zeit und Lust habe, dann gibt´s was gekauftes und ich werde mich dafür auch nicht mehr rechtfertigen. Meine Zeit, mein Geschenk, meine Entscheidung. Als ich mich das erst Mal dazu durchringen konnte, mit der DIY-Tradition zu brechen, war ich danach echt froh mich nicht gequält zu haben, weil ich wirklich weder Zeit noch Lust hatte.
Und dann ist´s doch so, manche bemerken es nicht mal, manche nehmen es kommentarlos hin ohne sich was böses dabei zu denken und manche lassen vielleicht einen Kommentar fallen, aber das sind oft die, die den Aufwand eh nicht schätzen und es somit ja eigentlich auch gar nicht wert sind dass man sich das antut.
Und wenn man gern möchte, aber halt einfach keine Zeit/Energie hat, kann man ja auch was kaufen und was kleineres selbst gemachtes dazu geben, das im Rahmen dessen liegt, was man gerade leisten kann/möchte.
Zuletzt geändert von Morathi am 26. Dez 2020, 11:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon Morathi » 26. Dez 2020, 11:58

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Re: Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon Monsterle » 26. Dez 2020, 12:08

Ich hab Geschenke selber machen eigentlich gar nicht groß angefangen.
Ich hab eh schon zu viele Hobbys und zu viele Ideen und zu wenig Zeit und dann noch für andere was werkeln? Ne...da bin ich eine Egosau.
Meine Familie (Schwestern, Eltern, Mann und Kinder) kriegen selber gestrickte Socken - hin und wieder. Aber auch nur, weil ich quasi eh immer irgendwie Socken stricke und so viel Socken gar nicht selber anziehen kann. Da weiß ich aber auch, dass sie sie zu schätzen wissen. Meine Schwester hat jetzt an Weihnachten erst gewunken, dass sie wieder welche möchte. Aber ich mach mir da kein Streß. Wenn ich welche für sie fertig habe, ist gut, und wenn nicht, dann nicht.
Wenn wir heute noch was vermasseln können, sagt mir Bescheid.
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Re: Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon SaltwaterPinecone » 26. Dez 2020, 12:45

Danke für diesen Thread, mir schwirrte dieses Thema in den letzten Wochen nämlich auch durch den Kopf und ich konnte es nicht so richtig in Worte fassen :)
In meinem Umfeld gibt es (nach einigen ziemlich undankbaren Reaktionen ...) nur noch wenige Menschen, die überhaupt in Frage kommen für DIY Geschenke. Nur war dieses Jahr einfach der Wurm drin. Die Kombination aus der allgemeinen Lage und den Auswirkungen, die das Ganze auf meine Arbeit hat, habe ich einfach nicht selbst gemachtes zustande gebracht. Das seltsame Gefühl von einem schlechten Gewissen hat mich dabei die ganze Zeit irgendwie unterschwellig begleitet. Ich habe dann noch last-minute angefangen ein Paar Socken zu stricken und mittendrin völlig entnervt aufgegeben. Mir kam nämlich plötzlich die Einsicht, dass ich nichts verschenken möchte, das mit so viel Stress, Ärger und Frustration beladen ist. Die Socken stricke ich jetzt einfach in meinem Tempo zu Ende und verschenke sie dann, wenn sie fertig sind. So sind sie für die Beschenkte ein ganz unerwartete Überraschung :)

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Re: Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon Frau mit Hut » 26. Dez 2020, 14:33

Oh Hallo, danke für diesen Thread! Das ist auch bei mir ein sehr aktuelles Thema. Auch Deine Reaktion, auf darauf angesprochen werden, kenne ich von mir selbst sehr gut.
Ich wurde seit der Kindheit von meinen Eltern gezwungen, selbstgemachte Geschenke zu verschenken. Weil ich ja gerne bastle und es mir deshalb ja Spaß machen muss. :irr:
Durch diesen Druck habe ich aber ehrlich gesagt überhaupt keinen Spaß mehr am Selbermachen der Geschenke. Trotzdem ist ganz fest in meinem Kopf drin, dass nur selbstgemachte Geschenke Wertschätzung ausdrücken (nur in die gebende Richtung, ich habe selbst immer Gekauftes/Geld erhalten und deshalkb überhaupt keine Anspruchshaltung, meinetwegen müsste man gar nichts schenken). Mir ist jetzt erst aufgefallen, wie viel Energie diese Erwartungshaltung (hauptsächlich von mir selbst, aber auch von Außen, zB bei Familie,) frisst. Ich würde gerne einen gesunden Umgang damit finden, so wie einige hier, die sich nicht stressen lassen. Aber bis das möglich ist, ist meine Konsequenz erstmal, gar keine DIY Geschenke zu machen.
Außer hier im Forum. Das ist was ganz anderes. Ich mache mir seit Jahren für die Adventskalender und Swaps mehr Aufriss, als für die Geschenke für engste Familie. Weil ich hier weiß, dass es gewertschätzt wird. Und dass man jederzeit frei entscheiden kann, ob man bei einem Swap teilnehmen möchte, oder nicht. Keine Erwartung + Wertschätzung der Arbeit ist mMn die goldene Mischung und Voraussetzung, dass selbstgemacht Schenken Freude macht. Diese Mischung habe ich aber bisher nur bei Leuten erfahren, die selber werkeln.

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Re: Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon linse » 26. Dez 2020, 14:41

Dieses Jahr war DIY-technisch besonders schwierig, da ich nicht wie gewohnt Material besorgen konnte. Das will man ja anfassen und anschauen bevor es los geht. Ich habe dieses Jahr alles lokaler gemacht, mit dem was da war, meine Ansprueche runtergeschraubt, es war dann eben so wie es war.

Generell mag ich es Sachen selber zu machen, mache anderen gern Geschenke, und habe da auch einen bestimmten Anspruch, da ich es z.B. feministisch empowernd finde wenn meine Freundinnen mit Kreissaegen umgehen koennen, und es anti-kapitalistische Praxis ist einfach so ohne Gegenleistung was fuer andere zu machen (Kropotkin, mutual aid), und gut fuer die Umwelt wenn man Dinge wiederbenutzt, man lernt was dabei, man kann Materialien zurueckverfolgen, Dinge genau anpassen, haltbarere Dinge machen, usw usf...wem sag ich das. :P

Gerade in diesem Jahr habe ich einige Dinge eher abgegeben die ich sonst selbst gemacht haette (Renovierungsarbeiten vom Handwerker machen lassen, Geschenke direkt zum Empfaenger bestellt), was einerseits ein grosses Privileg ist wenn ich entlastet werde und andere das machen.
Andererseits hatte ich einen laehmenden Perfektionismus gehabt und geglaubt dass ich das alles machen muss, und es war sooo entspannend das mal abzulegen. Dieser Perfektionismus hat(te) bei mir persoenlich auch was mit Ego, Kontrolle, Mangel-Denken (=ich _darf_ dafuer kein Geld ausgeben) und selbst-Beruhigen zu tun, ich musste psychologisch einiges auffahren um mich in dem Bereich zu entspannen aber das war fuer mich eine der Top-Erkenntnisse dieses Jahr.

Beispiele: Verputzen z.B. koennte ich bestimmt auch lernen, aber der Handwerker macht das halt schon 20 Jahre und dann wird es richtig schoen glatt, geht schneller, und ich kann mich auf meinen neuen Job konzentrieren, was ich mir vor dieser Erkenntnis einfach nicht zugestanden haette und dann waere ich mega gestresst gewesen mit Baustelle und neuem Job.

Genauso habe ich mir dieses Jahr einen Steuerberater gesucht, der sich mit meiner internationalen, self employed Situation auskennt. Vorher hatte ich es immer selbst gemacht, hatte immer Angst dass ich es falsch mache und musste staendig mit dem Finanzamt telefonieren. Das hat nix mit Basteln zu tun, ist fuer mich aber "adulting hard core", naemlich Delegieren vs Selbermachen, und ich bin froh dass ich das jetzt entspannt sehen kann. Also dass ich mein Wohlbefinden in meiner Planung 100% mit beruecksichtige.

Als ungewoehnliches neues pro DIY-Beispiel habe ich mit dem Rad selbstgemachte Kekse ausgeliefert an meinem Geburtstag, und ich hab waehrend Covid bei zwei Umzuegen geholfen, die man auch von einem Unternehmen haette machen lassen koennen. Da ich aber voll gerne so muskeliges Rumschleppen mache und das auch immer nur 1 Tag ist hab ich da jeweils mit Freude mitgemacht. Man kann ja jetzt eh nicht in die Sportstaetten, gratis workout. :D
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Re: Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon Nria » 26. Dez 2020, 16:52

Ich persönlich fühle mich überhaupt nicht verpflichtet - ich verschenke selbstgemachte oder gekaufte Dinge oder Erlebnisse, je nachdem, was mir halt gerade einfällt. Hatte auch noch nie den Eindruck, dass irgendjemand etwas Selbstgemachtes erwarten würde :gruebel:
Aber die Libelle ist ein Vogel.
Die Libelle war der schönste aller Vögel, wenn man nur einsah, dass sie ein Vogel war. (Per Olov Enquist)

Hana und ich bloggen: Mondkunst
Stoffstatistik 2024: gekauft 11,2 m - vernäht 12,9 m - abgegeben 2 m (- 3,7 m ) [2023: -17,05 m]

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Re: Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon Florence » 26. Dez 2020, 19:37

Frau mit Hut hat geschrieben:
26. Dez 2020, 14:33
Ich mache mir seit Jahren für die Adventskalender und Swaps mehr Aufriss, als für die Geschenke für engste Familie.
Ich hatte echt ein schlechtes Gewissen, weil ich fürs Wichteln viel mehr Zeit investiert habe als für das Weihnachtsgeschenk für meine Schwester.

Aber es ist echt so: Wirklich wertschätzen was da alles drinsteckt tun es nur die, die wirklich einschätzen können wieviel Arbeit, Mühe und Können da einfließt.

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Re: Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon Flusi » 26. Dez 2020, 20:24

Ich glaube, ich kenne das auch.
Habe früher mal sehr exzessiv Sachen gewerkelt und mir viel Mühe damit gegeben und dadurch auch eine Erwartungshaltung aufgebaut - nicht mal so sehr von außen, eher mir selbst gegenüber. Aber da hatte ich auch noch mehr Zeit und Spaß daran und war ehrgeiziger, weil ich die Bestätigung durchaus genossen habe.
Das hat alles ziemlich rapide abgenommen und mittlerweile kaufe ich fast nur noch Geschenke. Da bin ich dann auch nicht enttäuscht, wenn es nicht so gut ankommt. Bei einem selbst gemachten Geschenk wäre der Stolz da vielleicht doch etwas angefressen (weil viel, viel Zeit und Hirnschmalz eingeflossen sind) und ich will ja auch nicht nur wegen der Anerkennung gezwungen sein, etwas zu schaffen und dabei auf dem Zahnfleisch zu kriechen, weil ich eigentlich tausend andere Sachen zu erledigen hätte oder gar keinen Bock auf Werkeln habe, sondern weil es mir Freude bereitet, mir etwas auszudenken, umzusetzen und eine Person zu beschenken. Ich habe zum Schluss, bevor ich einfach mal gar nichts mehr gemacht habe, immer nur noch aus Zwang und Anspruchsdenken gehandelt und letztendlich hatte ich gar nichts davon, weil ich gemerkt habe, dass nur wenige Leute das überhaupt zu schätzen wissen und von die Geschenke von vielen auch nicht als wertvoller angesehen wurden als irgendein beliebiges Teil aus dem Textildiscounter, das man umgehend entsorgt, wenn es nicht mehr astrein ist (eine Tasche wird entsorgt, weil Lipgloss ausgelaufen ist - Fleckentfernung, was ist das? usw.).

Inzwischen sehe ich das ganz pragmatisch. Ich frage, was der andere brauchen kann oder gerne hätte. Und dann schaue ich: kann ich das selber machen? Wieviel würde es kosten, es zu kaufen vs. wieviel würde es kosten, es selber zu machen? Habe ich genug Zeit/Geld? Gibt es einen Kompromiss zwischen den Faktoren (z. B. einen Teil kaufen, einen Teil selber machen)?
Das Geld, mit dem ich ein schönes Geschenk kaufe, habe ich ja auch selbst (mehr oder weniger mühsam) erwirtschaftet. Ein gekauftes Geschenk lässt sich auch toll verpacken und präsentieren oder mit einem kleinen DIY-Gimmick aufpeppen, das ich vielleicht noch gut stemmen kann.
Und ich glaube, die meisten haben dafür Verständnis, wenn jemand in diesen komischen Zeiten gerade nicht die Kapazitäten für ein aufwändiges Projekt hat. Gerade für ein Baby gibt es noch viele Anlässe, wo man was tolles Selbstgemachtes verschenken kann. Und was die Mühe angeht: etwas Selbstgemachtes kaufen ginge ja auch noch und man kann dadurch z. B. jemanden bei etsy unterstützen. :angel:
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Re: Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon Lyset » 26. Dez 2020, 20:33

Gerade deinen letzten Satz denke ich mir in letzter Zeit auch oft Flusi.
Wenn ich jemanden auf Etsy unterstützen kann, ist es meist auch nicht teurer (betrachtet man Material und Zeiteinsatz) als wenn ich es selbst mache. Derjenige kauft vll. sogar zu besseren Konditionen ein als ich, hat wirklich alles da usw.
Habe heute erst noch mit Eleanora überlegt ob man nicht Bookish Candles selbst machen kann... Klar, prinzipiell ganz einfach, aber wenn man nicht unbedingt die Wachse, Mineralglitter, Silikonform, Dochte und Gläser eh da hat von anderen Hobbys zb, dann muss man schon 30 Kerzen verschenken damit sich die Materialanschaffungen auch irgendwie lohnen. Alles nur in so Mengen für eine Kerze besorgen, das übersteigt den Kaufpreis von im Schnitt 12€ dann doch sehr.
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Re: Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon NerdGorgon » 26. Dez 2020, 21:37

Selbstgemachte Geschenke wurden von mir (meines Wissens nach) bisher noch nicht erwartet. Wobei ich es auch nicht ausschließe, daß ich einfach die Erwartungen anderer Leute nicht so deutlich mitbekomme. Der sprichwörtliche Wink mit dem Zaunpfahl muß bei mir zuweilen sehr direkt ausfallen, damit ich ihn als solchen erkenne.

Meine Verwandten sind dafür wiederum jedes Mal verblüfft, daß ich nicht schon längst selbstgemachte Sachen verkaufe. Etwa zwei Topflappen für fünf Euro, oder eine Mütze für einen Zehner. ("Da könntest du richtig Geld machen!" - Stimmt, und wenn ich mich so richtig reinhänge, kann ich mir am Ende des Tages sogar eine Schale voll Reis leisten :o ) Wenn ich dann mal vorrechne, wieviel Zeit ich in so ein Teil investiere, kommt höchstens eine Meldung à la "aber es macht dir doch Spaß, da zählt die Arbeit doch nicht". Ääääähm okay.

Wahrscheinlich können wirklich nur Leute, die selber kreativ sind, wirklich nachvollziehen, wieviel Aufwand da teilweise drin steckt. Klar kriege ich ein vergleichbares Teil beim Diskonter billiger und schneller. Genau da liegt vermutlich das Problem: Alles ist mittlerweile leicht und im Überfluß zu bekommen. Der selbstgestrickte Schal hatte vielleicht vor siebzig Jahren großen Wert, als sich alle im Kriegswinter die Hacken abgefroren haben. Jemand, der hingegen jeden Tag ein neues Tuch aus dem Schrank ziehen kann, denkt sich nicht mehr "Toll! Endlich nicht mehr vor Kälte schlottern!" Im Idealfall weiß die beschenkte Person trotzdem zu schätzen, daß ein anderer Stunden oder Tage an einem liebevoll handgemachten Geschenk gewerkelt hat.

Generell habe ich absolut kein Problem damit, Aufgaben auch mal zu delegieren. Wer bei meinen Basteleien nur den Materialwert wertschätzt, kriegt eben nichts aufwändig Selbstgemachtes. Und wenn jemand etwas nun mal deutlich besser kann, sehe ich persönlich keine Schande darin, einen Profi zu beauftragen. Ob das nun fürs Verputzen oder einfach nur fürs Putzen ist. :angel:

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Re: Einmal DIY - immer DIY? Wie verpflichtet fühlt ihr euch?

Beitragvon T. T. Kreischwurst » 26. Dez 2020, 22:17

Lyset hat geschrieben: Gerade deinen letzten Satz denke ich mir in letzter Zeit auch oft Flusi.
[...]
Ach lustig, ich hab heute auch weiter darüber nachgedacht und mal nachgeguckt, ob ich das was ich machen würde, ggf. auch auf etsy zu haben ist. Ist es. In tausend Variationen, bei Preisen, die ich dafür eigentlich sogar als sehr günstig empfinde.

Ich hab allerdings immernoch eine Blockade im Kopf dabei, weil ich denke, ich hätte mir die Arbeit ja gemacht haben müssen.
Aber dann eben auch wieder die andere Seite: Der andere macht sich die Arbeit ja verdammt nochmal auch nicht. Eigentlich ist es sogar häufig so, dass ich Geschenke bekomme, die völlig random sind und überhaupt nicht zu mir passen und bei denen vorher auch keiner gefragt hat, was ich mag. Also da wurde nicht einmal ein Gedanke an Mühe investiert.
Und wenn ich bloß die Idee hab, das auch mal so zu machen und mir "keine Mühe" (= "nur" kaufen) bei Geschenken zu besonderen Anlässen zu geben, fühle ich mich wie eine tollkühne Verbrecherin :irr: .
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